Jahresrückblick 2008

Freitag, August 07, 2009

Einige werden sich jetzt sicherlich fragen, was der denn jetzt so spät mit der Beurteilung des Kinojahres 2008 kommt. Zum einen liegt das an meiner Intention das amerikanische Filmjahr zu bewerten und mich nicht auf die Schweizer Kinostarts zu beziehen. Ich greife so also viel nach aber auch einige Streifen vor. Filme die zwar 2008 released wurden, bei uns aber erst dieses Jahr erschienen sind, können schonmal in Betracht gezogen werden. Es hat seine Vor- und Nachteile. Sobald ich alle wichtigen Filme des Kinojahres gesichtet habe, werde ich das jedenfalls jetzt jedes Jahr so handhaben, auch wenn dieses Unterfangen jeweils bis in den Sommer warten muss. Zuerst ein kurzes Résumé der Oscars und dann mein persönliches Ranking.

Die 81. Oscarverleihung

Die letztjährige Oscarverleihung verzeichnete ein Einschaltquoten-Rekordtief in den USA, da ist es kaum verwunderlich, dass die Produzenten den Ablauf der Veranstaltung dieses Jahr umkrempeln und frischen Wind in das sonst eher strikte Geschehen hineinbringen wollten. Deshalb war die Geheimhaltung sogar noch grösser als bisher und bei der heutigen Internetfraktion grenzt es fast schon an ein Wunder, dass vorrangig nichts durchgesickert ist - oder haben die Oscars über die Jahre hinweg wirklich so viel an Popularität eingebüsst? Auch wenn die Golden Globes jährlich im Januar stetig mehr von sich hören geben, bleibt die Oscarverleihung der Klassiker schlechthin und die diesjährige pompöse Vorstellung ist ein klares Indiz dafür, dass sich die Hierarchie für kommende Dekaden nicht ändern wird. Die Oscars sind immernoch einfach classy.

Im Vorfeld war ich gegenüber Moderator Hugh Jackman eher skeptisch. Er schien mir nie so wirklich ein Entertainer als vielmehr ein professioneller Akteur der seine Arbeit gut und besonnen erledigt, ohne dabei zuviel TamTam zu machen. Tja, da wurde ich schon in den Anfangsminuten völlig überrascht, in denen Jackman eine Musicaleinlage gab und so meine Aufmerksamkeit sofort gewonnen hatte. Ein wirklich ausgezeichnetes Intro, in dem auch Anne Hathaway aus der vordersten Publikumsreihe mit reingezogen wurde. Danach durfte der vom People Magazine als Sexiest Man Alive erkorene Jackman einen weiteren Gesangsauftritt hinlegen, diesmal in Begleitung von Beyoncé Knowles in einem von Baz Luhrmann konzipierten Kurzmusical. Eigentlich erübrigt sich die Aussage, dass die in dem Bereich viel versiertere Beyoncé dem Hugh die Show stahl. Ansonsten bekam man als Fernsehzuschauer von Jackman nicht allzu viel zu sehen, da er oft während den Werbepausen das Kodak Theatre aufheiterte.
Die glamouröse Aufmachung ist jedesmal wieder ein echter Hingucker, doch dieses Jahr ganz besonders. Vom Design her haben sie voll ins Schwarze getroffen und für jede Nominiertenkategorie wurden schöne Kulissen präsentiert, die das Zuschauen alles andere als einschläfernd machten. Speziell die Überreichung der Schauspieleroscars durch fünf Gewinner der vergangenen Jahre fand ich eine tolle Idee und war visuell absolut mind-boggling.
Auch unter den Oscar Presteners gab es einige gute Einlagen. Hervorstechen und in Erinnerung bleiben tut bei mir da Ben Stiller's Nachahmung von Joaquin Phoenix. Klasse Akt! Daneben überzeugten in dieser Rolle auch noch Tina Fey mit Steve Martin, James Franco mit seinem Aussprachefehler, Cuba Gooding Jr. der Downey Jr. wegen seiner Rolle als Dunkelhäutiger in "Tropic Thunder" hoch nimmt - "Are you out of your mind?!?! The brothers need to work! Congratulations on your upcoming film, 'Shaft." -, Will Smith für die jüngere Generation hat sich als Presenter für die Boom-Boom-Kategorien ebenfalls sehr gut geschlagen und seine bekannte humorvolle Art durchscheinen lassen: "I'm still here, I believe Hugh is napping".
Schwach hingegen waren als Presenter Sarah Jessica Parker und der sichtlich gelangweilte Daniel Craig; Robert Vampire Pattinson und Amanda Seyfried ("Mamma Mia!"); Jessica Biel - vermutlich noch müde vom Vorabend an dem sie die Scientific & Technical Awards Ceremony moderierte; die "Pineapple Express" Einlage mit Franco und Rogen hätte eigentlich lustig sein sollen, war sie aber überhaupt nicht. Und fast hätte ich vergessen: Alicia Keys als Presenterin mit Zac Efron war schrecklich.
Bei den Kategorien die, irgendwie verständlicherweise, immer wenig Aufmerksamkeit bekommen, gab es dennoch ein zwei nette Highlights. Dazu gehören mit Sicherheit Philippe Petit's Danksagung für den Oscargewinn der Dokumentation "Man on Wire", Jerry Lewis' Auftritt für den Lifetime Achievement Oscar und schliessliche eine weitere Kurzrede von Kunio Kato für seinen animierten Kurzfilm "La Maison En Petits Cubes" die aus vielen Thank You's unter anderem diesem bestand: "Thank you my pencil."

Und damit kämen wir zu den diesjährigen Siegern und meinen kurzen Gedanken dazu:

Best Film
The Curious Case of Benjamin Button, Frost/Nixon, Milk, The Reader
Slumdog Millionaire

Director
David Fincher, Ron Howard, Gus Van Sant, Stephen Daldry
Danny Boyle

Actor In A Leading Role

The Visitor - Richard Jenkins
Frost/Nixon - Frank Langella
Milk - Sean Penn
The Curious Case of Benjamin Button - Brad Pitt
The Wrestler - Mickey Rourke

Actor In A Supporting Role
Milk - Josh Brolin
Tropic Thunder - Robert Downey Jr.
Doubt - Philip Seymour Hoffman
The Dark Knight - Heath Ledger
Revolutionary Road - Michael Shannon

Actress In A Leading Role
Rachel Getting Married - Anne Hathaway
Changeling - Angelina Jolie
Frozen River - Melissa Leo
Doubt - Meryl Streep
The Reader - Kate Winslet

Actress In A Supporting Role
Doubt - Amy Adams
Vicky Cristina Barcelona - Penélope Cruz
Doubt - Viola Davis
The Curious Case of Benjamin Button - Taraji P. Henson
The Wrestler - Marisa Tomei

Adapted Screenplay
The Curious Case of Benjamin Button - Eric Roth, Robin Swicord
Doubt - John Patrick Shanley
Frost/Nixon - Peter Morgan
The Reader - David Hare
Slumdog Millionaire - Simon Beaufoy

Original Screenplay
Frozen River - Courtney Hunt
Happy-Go-Lucky - Mike Leigh
In Bruges - Martin McDonagh
Milk - Dustin Lance Black
WALL-E - Andrew Stanton, Jim Reardon, Pete Docter

Animated Feature
Bolt
Kung Fu Panda
WALL-E

Art Direction
Changeling
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
The Duchess
Revolutionary Road

Cinematography
Changeling
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
The Reader
Slumdog Millionaire

Costume Design
Australia
The Curious Case of Benjamin Button
The Duchess
Milk
Revolutionary Road

Documentary Feature
The Betrayal (Nerakhoon)
Encounters at the End of the World
The Garden
Man on Wire
Trouble the Water

Documentary Short
The Conscience of Nhem En
The Final Inch
Smile Pinki
The Witness - From the Balcony of Room 306

Editing
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
Frost/Nixon
Milk
Slumdog Millionaire

Best Foreign Language Film
The Baader Meinhof Complex
The Class
Departures
Revanche
Waltz with Bashir

Makeup
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
Hellboy II: The Golden Army

Original Score
The Curious Case of Benjamin Button - Alexandre Desplat
Defiance - James Newton Howard
Milk - Danny Elfman
Slumdog Millionaire - A.R. Rahman
WALL-E - Thomas Newman
Original Song
WALL-E - "Down to Earth"
Slumdog Millionaire - "Jai Ho"
Slumdog Millionaire - "O Saya"

Sound Editing
The Dark Knight
Iron Man
Slumdog Millionaire
WALL-E
Wanted

Sound Mixing
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
Slumdog Millionaire
WALL-E
Wanted

Visual Effects
The Curious Case of Benjamin Button
The Dark Knight
Iron Man

Animated Short
La Maison de Petits Cubes
Lavatory - Lovestory
Oktapodi
Presto
This Way Up

Live Action Short
Auf der Strecke (On the Line)
Manon on the Asphalt
New Boy
The Pig
Spielzeugland (Toyland)
Grosser Abräumer mit 8 Statuen von 9 Nominierungen ist "Slumdog Millionaire". Mitfavorit "The Curious Case of Benjamin Button" enttäuschte mit nur 3 Siegen von ganzen 13 Nominierungen. "Milk" endete die Awardsaison mit 2 Siegen, genauso wie "The Dark Knight", der als Sommerblockbuster ins Rennen ging. Die meisten Auszeichnungen kann man nachvollziehen, obwohl ich vor allem bei den besten Filmen "The Reader" ausgetauscht hätte. "Slumdog Millionaire" gefiel mir zudem auch nicht so gut wie erwartet. Von der Auswahl hätte bei mir auf jeden Fall David Finchers Beitrag gewonnen.

Die fünf Stunden vergingen vor dem Fernseher (so lange am Stück hab ich seit Jahren nicht mehr vor der Glotze gesessen) wie im Fluge und ich fühlte mich während dieser Zeitspanne wie an einem anderen Ort, so eindrücklich war diese Verleihung zumindest in den ersten vier Stunden. Eine Schande hingegen waren diese unglaublich ätzenden Werbepausen.

Zum Abschluss gibt es noch meine obligatorische Rangliste der Filme aus 2008:

1. The Dark Knight
Christopher Nolan toppt nicht nur den Vorgänger sondern auch so ziemlich alle älteren Comicverfilmungen mit dieser komplexen Erzählung über den Schwarzen Ritter. Meine schon von kleinauf vorherrschende Schwäche für Batman und der an Michael Mann Filme erinnernde Stil des Streifens sind Grund genug ihn an erster Stelle zu setzen. Hätte die Academy mal auch einen Blockbuster ehren wollen, war das definitiv die Chance. Zudem spricht Heath Ledgers Performance für sich.

2. The Curious Case of Benjamin Button
Visuell und tricktechnisch schon eine Augenweide, besticht Finchers jüngstes Werk auch mit einer runden Geschichte, die dadurch dass sie ein ganzes Leben erzählt, sehr abwechslungsreich ist und je länger sie dauert desto emotionsgeladener wird sie. Mehr als solide Darstellerleistungen runden das prächtige Gesamtbild ab.

3. Let the Right One In
Dieser schwedische Vampirfilm kam sehr unerwartet und überzeugt mit zwei bestechend starken Jungschauspielern sowie einer hervorragenden Mischung aus Horror- und Liebeselementen. Mal schauen was "Cloverfield" Regisseur Matt Reeves aus dem US-Remake machen wird. Könnte mir jedenfalls nach diesem Knaller gestohlen bleiben.

4. Gran Torino
Eastwood bestätigt seine ausgezeichnete Arbeit der letzten Jahre und liefert mit "Gran Torino" sein vermutlich letztes Schauspieler-Werk ab. Seine Darstellung des mürrischen Kriegsveteranen Walt Kowalski sowie dessen Interaktion mit der ausländsichen Hmong-Community schafft viele sehenswerte Momente sowie einen mehr als bleibenden Film.

5. Tropic Thunder
Der Komödienhit des Jahres. Eine gut harmonierende Schauspielertruppe, ein herrlicher Auftritt von Tom Cruise, eine kräftig fulminante Inszenierung, gute Parodien zu bekannten (Anti)Kriegsfilmen sowie unzählige Lacher machen Ben Stillers jüngstes Werk zu einem bleibenden Erlebnis. Tränen in den Augen bei beiden Sichtungen ist Grund genug für eine so hohe Platzierung.

6. The Wrestler
Ein Film der vor allem dank Mickey Rourkes Revival für viel Aufsehen sorgte, und das zurecht. Auch dank der für mich doch eher fremden Welt des Wrestlings war dies ein interessantes Erlebnis das man so schnell nicht mehr vergisst. Vielleicht bis heute Aronofskys bester Film der nun für das "RoboCop" Remake gemunkelt wird.

7. Iron Man
Hat durch den Riesenerfolg von Batman etwas an Stärke in den Gesprächen über Comicverfilmungen verloren, ist aber weiterhin eine überdurchschnittlich gut gelungene Adaption, mit der sich Robert Downey Jr. wieder vollständig in die A-List von Hollywood mausern konnte.

8. Wall-E
Von vielen als Pixars bisher ausgereiftester Film betitelt bietet "Wall-E" ohne Zweifel für alle Altersklassen etwas und genau das macht den Streifen, neben der sagenhaften Technik, so besonders. Bin zwar nicht der grösste Animationsfilm Fan, aber dieser gehört definitiv zu meinen Lieblingspixars.

9. Revolutionary Road
Sam Mendes' Film ist schon allein darin ein kleines Ereignis, dass er Kate Winslet und DiCaprio nach 11 Jahren wieder vereint und beide haben sich seit "Titanic" sehr positiv weiterentwickeln können. Der Film ist deshalb so toll, da er trotz eines 50er Jahre Setting ein heute hochaktuelles Thema behandelt. Die solide Regiearbeit und die gelungenen Darstellerleistungen runden das sehr gute Gesamtbild ab.

10. Quantum of Solace
Bonds mittlerweile 22. Leinwandauftritt ist der Actionfilm des Jahres. Was Marc Forster hier mit starkem Bourne Einfluss präsentiert hätte ich von ihm nie erwartet. Von Kritikern eher mässig aufgenommen ist dies jedoch ein fulminantes Intermezzo, das zum einen konsequent den Vorgänger weiterführt und zum anderen bestimmt ein gutes Bindeglied zu dem was kommen mag darstellt.

Es folgen nun alle Kandidaten die die Top 10 nicht erreichen konnten, mit den besten an vorderster Stelle.

Einen Podestplatz knapp verfehlt haben:
Vicky Cristina Barcelona, Frost/Nixon, Australia, In Bruges, Tyson

Sehenswert sind:
Changeling, Doubt, RocknRolla, Che: Part One, Slumdog Millionaire, Milk, Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull, Gomorra, Speed Racer, The Strangers, The Ruins, Yes Man, Step Brothers, Street Kings, Defiance, Body of Lies, Death Race, Seven Pounds, Trick 'r Treat, Valkyrie, Hulk, Eagle Eye, Definitely Maybe, The X-Files: I Want to Believe, Transsiberian, Hancock, Eden Lake, Nordwand, Wanted, Hellboy 2: The Golden Army, Cloverfield, 24: Redemption

Ganz OK aber verzichtbar sind:
Lakeview Terrace, Che: Part Two, Burn after Reading, Rambo, Taken, The Reader, Man on Wire, Vantage Point, The Day the Earth Stood Still, Mirrors, Get Smart, Zack and Miri Make a Porno, Jumper

Schwach bis grottenschlecht waren:
10,000 BC, The Happening, Punisher: War-Zone, The Mummy: Tomb of the Dragon Emperor, Max Payne, The Informers, The Spirit, Saw V

Zusammengefasst war 2008 sicherlich ein Ausnahmefilmjahr. Dank "The Dark Knight", dem neuen Spielberg Film, einem neuen Bondfilm, gleich zwei Clint Eastwoods oder auch David Finchers Beitrag zumindest mehr als respektabel. Finanziel dürften sich die Studios letztes Jahr sicher nicht beklagt haben. 2009 hat bisher schon eher zu kämpfen waren doch die Blockbusters bis jetzt doch mehr auf der enttäuschenden Seite. Überraschungshits wie "Iron Man" oder "Let the Right One In" blieben noch aus. Mal schauen wie es sich in der zweiten Jahreshälfte entwickelt. Zumindest James Cameron hat für Ende Jahr mit "Avatar" doch bitte noch ein Ass im Ärmel!